Jaranwala und die Punjabis

Angekommen in Jaranwala brauchten sie uns auf dem Rücksitz eines Motorrads zum Kleiderladen von Hassan und seinem Bruder. Wenig später fuhren uns Sämi und Hassan zu einem Haus. Sämi erklärte, dass dieses Haus demnächst abgebrochen werden soll. Scheinbar ist er auch als Baukoordinator tätig. Im Moment jedoch stand das Haus in Jaranwala leer. In einem Zimmer war sein Baumaterial-Depot, im anderen Zimmer hatten sie für uns ein Doppelbett und zwei Plastikstühle aufgestellt. Warmwasser gebe es leider keines, aber wir könnten dann bei Sämi, welcher gleich um die Ecke wohne, duschen kommen.

Auswärts essen

Die Spezialität des Restaurants in Jaranwala heisst malai boti fry (wörtlich auf English übersetzt heißt dies: Rahm Stück frittiert). Zuerst wird das Hühnchen gegrillt, dann wird es mit Rahm mariniert und anschliessend nochmal frittiert. Dies also im Unterschied zum Chicken Kebab, was grilliertes Hühnchen bedeutet. 

Löhne und Kosten in Pakistan in pkr/Monat

Uns interessierte, ob es sich gut leben lasse mit einem Kleiderladen in einer Provinzstadt in Pakistan. Sofern keine Angeberei dabei war, scheint die Antwort ja zu sein:

14‘000 pkr/Monat Angestellter in einer Mühle
35‘000 pkr/Monat Polizist
55‘000 pkr/Monat Lehrer
85‘000 pkr/Monat Professor
100‘000 pkr/Monat Besitzer eines Kleiderladen
Zum Vergleich: ein Kilogramm Hühnchen kostet 219pkr

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Zu Besuch im Haus der Geschwister

Die Eltern von Sämis Geschwister sind bereits länger verstorben. Das Haus, in welchem wir nun frühstückten haben die Geschwister gemeinsam gekauft. Die eine Schwester von Sämi hatte das Frühstück für uns zubereitet. Es war eine Variante des traditionellen pakistanischen Frühstücks, wie wir es letztmals in Lahore gegessen hatten. Dass Männer zuhause in der Küche stehen, wenn Frauen da sind, hat in Pakistan Seltenheitswert. So gab auch Sämi von sich, dass er nicht kochen könne. Wahrscheinlich wollte er seine Schwestern nicht zu fest belasten mit Gästen, jedenfalls gingen wir an den anderen Morgen jeweils auswärts frühstücken. Beim Frühstücken an diesem Morgen lernten wir, dass die Pakistaner für Mandarinen Malta sagen. Süsse Orangen heissen Kinu und saure Orangen Flutar.

Eine Gebetskette richtig beten

Gebetsketten in Jaranwala
Die zwei Gebetsketten seiner Eltern an einem Nagel an der Wand in Sämis Zimmer.

Im Zimmer von Sämi hingen zwei Gebetsketten (tasbeeh). Es seien die der Eltern. Eine Gebetskette hat 100 Perlen. Man sage beim «Durchfingern» der Kette 33x subhan alla (Gott ist sauber), 33x alham dulila (Ich bin Gott dankbar) und 34x alla hakbar (Gott ist gross). Wer den letzen Satz laut in der Öffentlichkeit herumschreit, könnte erschrockene Blicke ernten. Denn diesen Satz ist auch, was man von Selbstmordattentätern als letzter Schrei vor der Explosion zu Hören erwarten würde.

Ausflug aufs Dorf

Der Bekannte, für welchen Sämi Häuser saniert und baut, nahm uns heute auf einen Ausflug in sein Heimatdorf mit. Er, für heute unser Fahrer, fuhr mit seinem Auto vor. Die Fahrt wurde zu einer langen Reihe von Begegnungen und Besichtigungen. Es war ein abwechslungsreicher Nachmittag. Zuerst fuhren wir zu einer Tankstelle, welche offenbar dem Bekannten gehört. Dort sass der Vater des Fahrers neben einer traditionellen Wasserpfeife.

Vater unseres Gastgebers
Der Vater unseres Fahrers sass hier an einer traditionellen Wasserpfeife.

Hier liessen wir das Stadtauto stehen und wechselten in einen Geländewagen. Unser Fahrer war hier scheinbar sowas wie ein Lokalfürst. Er besitze das meiste Land hier in Asghar und eben diese und zwei weitere Tankstellen. Mit dem Geländewagen ging es weiter zu seinem Dorfhaus in Asghar. Dort sei er aufgewachsen. Das innere des Dorfhauses bekam nur Soodeh zu sehen.

In Gästezimmern sitzen

In Pakistan sind fremde Männer nur im ersten Raum, also im Gästeraum eines Hauses willkommen. Weiter ins Innere des Hauses kommt man als Mann meistens nicht. Es sei denn, das Haus verfügt über kein Gästebad. Dann kann man beim Gang auf das stille Örtchen möglicherweise den einen oder anderen neugierigen Blick um sich werfen. Auch der gute Freund des Fahrers, Sämi, musste im Gästezimmer bleiben. Das Haus als Reich der Frauen ist also den weiblichen Besuchern vorbehalten. Die männlichen Gäste werden im Gästezimmer bedient, falls man zum Essen zu Besuch ist. Als Soodeh das Haus gesehen hatte und mit dem Fahrer zurück ins Gästezimmer kam, gingen wir zu Fuss weiter zum Haus einer Hochzeitsgesellschaft.

Essen auf einer Hochzeit

Es war der zweite Tag der Zeremonie. Sie findet im Haus des Bräutigams statt. Das Paar hat also gerade die erste Nacht im neuen gemeinsamen Schlafzimmer hinter sich. An diesem Tag wird für alle, die dem Paar gute Wünsche überbringen möchten gekocht. Auf dem Dorf kommt also gut fast das ganze Dorf auf Besuch. Die Männer essen im Erdgeschoss, die Frauen im ersten Stock. Serviert wurde uns grünes, blaues und pinkfarbenes Süssreis mit Hühnchen- Curry (Chicken Gravey). Als Soodeh ihren Besuch im ersten Stock hinter sich hatte, bekam auch sie noch einen Teller voll mit leckerem Essen.

Essen zur Hochzeit
Süsser Reis mit Hühnchensauce und Tschapatti an einer Hochzeit auf dem Dorf.

Besuch beim Guru

Darauf besuchten wir kurz noch den Hinterhof des Dorfhauses unseres Fahrers. Anschliessend fuhren wir auf den Hof eines lokalen Guru namens baba meskin ali sain. In dessen Haus brenne seit mehr als 700 Jahren ohne Unterbruch ein Feuer. Ob man das glauben will oder nicht, die Wände des Raumes mit dem Feuer waren jedenfalls pechschwarz. Das technische Highlight dieses Ortes war der alte mechanische Ziehbrunnen mit Ochsenantrieb und einer Art Schaufelkesselkette.

Besuch auf dem Guava Hof

Von der Tankstelle ging die Fahrt mit dem Stadtauto zurück. Doch plötzlich bog der Fahrer links in eine Feldstrasse ab. Wir fuhren vorbei an gelbblühenden Senffeldern und dichten, grünbewachsenen Reisfeldern. Dann erreichten wir eine Plantage mit Niederstamm- Guavabäumen. Etwas später kamen wir vor einem Hoftor zum Stehen. Drei Männer brachten frische Guavas. Es waren die Hofmitarbeiter des Fahrers. Sie leben hier auf dem Hof, allerdings nicht mit ihrer Familie und nicht ständig. Während wir die Guavas kosteten, ging am Horizont langsam die Sonne unter. Zurück in der Jaranwala, fuhren wir entlang einer langen Schlange von stehenden Zuckerrohrtransportern. Irgendwo hielt der Fahrer an und erhielt von einem Mann einen Haufen Bargeld. Möglicherweise war es der Erlös der Zuckerrohrernte, welche der Mann dem Fahrer und Grundbesitzer zahlte. Bald darauf hielt der Fahrer vor einem Supermarkt. Wir stiegen aus und er verabschiedete sich.

Kinderkleiderladen im Supermarkt

Sämi führte uns zum Eingang des Supermarkts in Jaranwala. Hier mussten wir unseren Tagesrucksack dem Sicherheitspersonal übergeben. In einer Ecke des Supermarkts war hinter einem Tresen ein älterer Herr umgeben von Kinderkleidern an kleinen Kleiderbügeln. Dies ist mein Kinderkleiderladen, sagte Sämi. Vom Erlös aus dem Laden müsse er 18% an den Supermarktbesitzer als Miete und 18% an den Verkäufer als Lohn bezahlen. Sämi hat also keine Fixkosten und 64% des Erlöses. Der Supermarkt habe aber wenig Kundschaft. Daher laufe das Geschäft mit den Kinderkleidern nicht so gut. Vielleicht werde er den Laden bald an einem anderen Ort in Jaranwala eröffnen oder die Kleider liquidieren.

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This article was written by Dominique

Als Reise Coach ist Dominique leidenschaftlich dabei, das Know-How rund um das langsame Reisen für alle Reisebegeisterte frei zugänglich zu machen. Er sieht faires und klimaverträgliches Reisen als Beitrag zum Frieden. Jede und jeder soll langsam und achtsam reisen lernen können – kostenfrei und unkompliziert.

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Jaranwala und die Punjabis

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