Zur wilden Mauer – Mutianyu

Was wäre ein Aufenthalt in China ohne die chinesische Mauer besucht zu haben. Diese ist aber unendlich lange. Darum gibt es unzählige Orte, welche als Ausgangspunkt für deren Besichtigung dienen. Das Bauwerk von einst ist nicht mehr überall gleich schön. Tourismus ist in China schon länger ein Massenphänomen. Einige Abschnitte der Mauer wurden umfangreich restauriert, respektive teilweise wahrscheinlich fast komplett neu nachgebaut. Die übrigen noch sichtbaren Abschnitte werden als wilde Mauer bezeichnet und deutlich weniger frequentiert. Wir wollten uns eine etwas weniger touristische Variante gönnen und zur wilden Mauer in Mutianyu gehen.

Wahl des Besichtigungsortes und recherchieren der Anreise

Die Herausforderung war einen Weg mit dem ÖV zu einem wilden Abschnitt der Mauer zu finden. Dies war zusätzlich schwierig, da wir lieber am gleichen Tag nach Beijing zurückfahren wollten. Wir hatten uns online viel zu den alternativen Orten für Mauer-Abenteuer angelesen.

Zu unserem ausgewählten Lieblingsabschnitt gab es jedoch keine ÖV-Verbindung, welche eine Rückreise am selben Tag ermöglicht hätte. Für einen Privatfahrer hätten wir beinahe das zehnfache der ÖV Variante aufgeworfen. Darum entschieden wir uns dann für einen näher gelegenen restaurierten Abschnitt. Dieser ist günstig und zuverlässig ganztägig mit dem ÖV und Shuttle-Taxi erreichbar. Zur wilden Mauer in Mutianyu gelangt man mit dem Bus und einem Shuttle. Mutianyu liegt etwas weiter ausserhalb des Zentrums (etwa 70 km) aber immer noch offiziell im Distrikt von Beijing. Dort sind wir dann so weit gewandert bis wir vom restaurierten Teil der Mauer zur wilden Mauer von Mutianyu kamen. Das war eindrücklich. Aber alles schön der Reihe nach.

Anreise nach Mutianyu

Wir wussten, dass es einen regulären Expressbus gibt. Dessen Abfahrtsort zu finden, war aber etwas tückischer als gedacht. Der Expressbus fuhr nicht am regulären Bushalt an der Strasse, sondern in einem versteckten Busbahnhof in einem Gebäude nahe der Bushaltestelle. Die Fahrt mit dem Bus war bequem und grösstenteils auf der Autobahn. An einem Halt unterwegs stieg ein Mann ein, welcher uns fragte, ob wir zur Mauer nach Mutianyu wollten.

Als wir bejahten, bat er uns jetzt auszusteigen und ihm zu folgen. Draussen zeigte er uns die Touristen-Prospekte des Besichtigungsortes und nannte einen ziemlich vernünftigen Fahrpreis. Er trug ein Jäckchen, welches mit Beijing Transport bedruckt war. Sein Van sah aber mehr nach Taxi aus. Als wir am Eingangstor der sogenannten „sceenic area“ ankamen, bot er uns an, auf uns zu warten. Er würde uns wieder zur Busstation zurück bringen.

Dieses Angebot nahmen wir mit Erstaunen und etwas Widerwillen an. Irgendwie fühlte es sich etwas stressig an, wenn jemand darauf wartet, dass man zurück kommt. Darum vereinbarten wir, dass wir ihm via WeChat eine halbe Stunde vorher schreiben würden. Wir dachten, dass er bestimmt wieder zur Busstation fahren würde um weitere Touristen abzufangen.

Ankunft in Mutianyu

Das Eingangsportal und die Eingangshalle schien zuerst völlig überdimensioniert. Erst als wir den leeren Car-Parkplatz daneben sahen, ahnten wir, was hier zur Hauptsaison los sein könnte. Die Eingangshalle schien wie ein leerer Wartesaal eines Provinzbahnhofes. Es gab Toiletten, separate Schalter für Reiseführer und für Einzelpersonen, einen Souvenir-Shop und ein Ausstellungsteil einem Museum ähnlich .

An der Scheibe des Schalters war ein mit englischen Wörtern bedrucktes Stück Papier angeklebt. Diesem war zu entnehmen, dass der Betrieb der Gondelbahn eingestellt war. Wir waren beruhigt, dass auch hier Revisionsarbeiten durchgeführt werden. Alternativ führte eine Sesselbahn zu einem etwas tiefer gelegenen Wachturm des restaurierten Mauerabschnitts.

An der Endstation der Sesselbahn angekommen, gönnten wir uns eine kurze Pause, um uns umzuschauen und zu entscheiden, ob wir der Mauer rechts oder links folgen sollten. Rechts führte anscheinend zuerst steil nach unten und dann wohl in eine Sackgasse. Links führte zur Gondelbahnbergstation und vielleicht noch weiter.

Die Rodelbahn vom Sessellift aus fotografiert.

Am Ticketschalter wurden uns gleich 3 Tickets und eine Versicherung angeboten: Park-Eintritt, Transportticket zur Sesselbahn, Beförderungsschein für die Sesselbahn mit oder ohne Option für Rückfahrt auf Sessel oder Rodelbahn und Reiserisikoversicherung. Wir beschlossen uns den Aufstieg zur Mauer zu ersparen und unsere Energie lieber für das Wandern auf der Mauer zu reservieren.

Flanieren auf der Mauer

Kurz vor der Gondelbahnbergstation hörten wir plötzlich schweizerdeutsche Satzfragmente. Das Schweizer Paar in den späten Sechziger, war uns offenbar im Expresstempo auf den Fersen. Sie flogen nach Moskau, tuckerten von dort mit der Transib ohne Halt durch Russland und die Mongolei und hatten nun 3 Tage in Beijing vor ihrem Rückflug nach Zürich. Ab dieser Beschreibung wurde uns fast schwindlig. Die beiden waren nun seit 30 Minuten auf der Mauer und meinten, nun hätten Sie es gesehen. Wir verabschiedeten uns freundlich und gingen weiter.

Musikalischer Anblick eines restaurierten Stück Mauer.

Das restaurierte Stück Mauer zog sich ziemlich lange hin. Wir liefen von Wachturm zu Wachturm bis wir schliesslich beim scheinbar letzten zugänglichen angelangt waren. Dort machten wir Halt und waren etwas enttäuscht, dass es hier nicht mehr weiter gehen sollte. Doch vereinzelt kamen trotzdem Touristen von weiter oben herunter gekraxelt. So beschlossen wir auch über die kleine Mauer zu klettern und weiter zu gehen.

Wandern auf der wilden Mauer bei Mutianyu

Nach weiteren zwei Wachtürmen war nun hier und dort der eine oder andere Stein etwas schief, die Treppenstufen nicht mehr gerade und die Schiessscharten zum Teil nicht mehr vorhanden. Je weiter wir gingen, desto mehr war die Mauer zerfallen und von Gras, Sträuchern und kleinen Bäumen überwachsen. Der Fussweg schlängelte sich dazwischen weiter auf der Mauer, bzw. der Wasserscheide. Zudem waren Selfie-Touristen hier weniger oft anzutreffen.

Wir freuten uns, dass wir es nun doch noch auf einen wilden Teil der Mauer geschafft hatten und wanderten etwa noch eine Stunde weiter. Am höchsten Turm angekommen, genossen wir die Aussicht und machten uns dann auf den Rückweg. Denn um 16:30 wollten wir die letzen Schlitten der Rodelbahn erwischen. Auf dem Rückweg sammelten wir noch PET Flaschen auf. Ein Chinese liess sich durch uns zur gleichen Aktivität motivieren. Weiter unten halfen wir einer Gruppe verzweifelter Amerikaner deren Flasche Rotwein zu öffnen. Das Hotel hatte nämlich vergessen ihnen einen Zapfenzieher mitzugeben. So konnten wir mit unserem Schweizer Taschenmesser grosse Freude bereiten.

Anstossen auf dem restaurierten Mauer auf dem Weg zur wilden Mauer in Mutianyu
Endlich ist die Weinflasche geöffnet. Drei Touristen freuen sich über den Dienst eines Sackmessers.

Weniger Freude, hatte offenbar unser „Taxi“ Fahrer. Er hatte uns jedenfalls schon mehrmals geschrieben und gefragt, wo wir denn seien. Anscheinend haben wir deutlich länger gebraucht als er sich dachte. Er hatte wohl unsere Wanderfreude deutlich unterschätzt und tatsächlich die ganze Zeit auf uns gewartet. Wir wollten ihn nicht noch länger auf die Folter spannen. Darum rodelten wir etwas früher runter und liessen uns das Abendessen von einem Restaurant im grossen Touristen-Eingangsdorf in unsere Tupper einfüllen.

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