Sitzplatzreservation in Indien

Bereits war ich fast einen Monat in Indien. Doch heute sollte es weiter gehen, mit einem Zugticket mit oder ohne Sitzplatzreservation nach Ostindien. Die Zeit rast. Zehn Tage war ich im Hideinindia Hostel. Ganz im Sinne des Hostelnamens, ging ich nie raus, sondern fokussierte mich ganz auf mein Ziel, das Schreiben. Ich hatte mir vorgenommen alle Berichte der Reise durch den Iran und Pakistan zu schreiben und zu veröffentlichen. Doch dies war trotz strukturierter Arbeitsweise und kurzen Auflockerungspausen zu viel. Einerseits hatte ich den Aufwand unterschätzt, andererseits verbrachte ich mehr Zeit mit Telefonieren als geahnt. (Nachtrag: Hätte uns Corona später nicht aufgehalten, weiss ich nicht, wann ich den Blog aktualisiert hätte.)

Wenig Hoffnung auf eine Sitzplatzreservation

Indische Bahn App
Die indische Bahn-App IRCTC ist das pendant zu SBB Mobile.

Im Hostel haben uns die Rezeptionisten wenig Mut gemacht, es heute noch auf einen Zug mit Sitzplatzreservation zu schaffen. Wir hatten ihnen unsere Wunschverbindung gezeigt, worauf sie uns die Angaben unter der Verbindung, im indischen Bahn-App erklärten. Dort sieht man die Anzahl Sitzplatzreservationen und die Anzahl Leute, welche auf der Sitzwarteliste sind in Echtzeit. Falls diese Zahl 100 übersteige, seien die Chancen auf einen reservierten Sitzplatz klein. Dies heisst aber nicht, dass der durchschnittliche Inder nicht trotzdem mit diesem Zug reisen würde. Denn am Bahnhof gibt es eine extra Schalterhalle für das Erwerben von Tickets ohne Sitzplatzreservation. Also das, was in der Schweiz ganz normal ist. Der Unterschied zwischen den Tickets in der Schweiz und Indien ist, dass die SBB meist für alle einen Sitzplatz hätte, wenn man genug lang durch den Zug läuft, mal abgesehen von den Stosszeiten.

Am Boden Sitzen ohne Sitzplatzreservation

In Indien jedoch hat man, ähnlich wie auf einigen ICE Strecken der Deutschen Bahn, ohne Sitzplatzreservation fast garantiert höchstens einen Platz am Boden im Wagendurchgang. Wir waren sehr abenteuerlustig und sagten uns, dass wir dies auch überleben würden. Kurz später waren wir in der Wartehalle für das Erwerben der Billette ohne Platzreservation. Wir hatten uns gerade für unsere definitiv favorisierte Verbindung entschieden, da sprach uns ein Herr an. Er fragte uns, warum wir denn hier ein Ticket kaufen würden? Für Ausländer gebe es doch die Touristenquote. Wir sollten doch zuerst unser Glück beim Touristenschalter versuchen. Auf den meisten Zügen gebe es bis kurz vor Abfahrt noch eine freigehaltene Quote für Touristen. Vor dem inneren Auge auf dem Boden eines überfüllten Zuges schlafend, war dies ein Lichtblick.

Der Touristenschalter hat Touristenquote

Wir nahmen sein Angebot dankend an, uns zu zeigen wo der Touristenschalter ist. Im Unterschied zum normalen Schalter hatte der Touristenschalter ein Ticketing System. Wir zogen Nummer 128. Die aktuelle Nummer war 35. Nun war erstmal Warten angesagt. Später legten bereits bediente Kunden ihre doppelt gezogenen Nummern zurück. So hatten wir die Nummer 91 und 40 Warteplätze eingespart. Die Hoffnung auf ein reserviertes Bett verlieh weiterhin Durchhaltewillen. Etwa drei Stunden später war es schliesslich an uns. Der Schalterbeamte ging die Sache ruhig an. Er prüfte unsere Lieblingsverbindung im DOS System auf Verfügbarkeit und hackte dazu erstmal eine Weile zünftig einige Nummern in die Tastatur.

Die letzen beiden Quotenplätze erhalten

Plötzlich sagte er: «I have good news for you!» Beim Preisschild kam allerdings eine kleine Überraschung. Der Touristen Aufschlag ist etwa 50%. Angesichts dessen, dass man ansonsten wenig bis keine Chancen auf ein reserviertes Ticket hätte, finde ich dies jedoch noch ziemlich angemessen. Die Preise für Bahnfahrten sind in der Standard-Klasse in Indien sowieso absolut erschwinglich. Bei der Eingabe unserer Passinformationen im System unterstützten wir den Beamten so gut wie nur möglich durch Diktieren und Buchstabieren.

Tickets drucken und Sitzplatznummern anstreichen

Nachdem er diese Hürde gemeinsam mit uns gemeistert hatte, schaffte er es, uns mit einem Nadeldrucker die Ticketinformationen auf vorgedrucktes Ticketpapier zu drucken. Anschliessend hob er darauf – wie vom SBB-Ticketschalter für Auslandreisen gewohnt – Zug-, Wagen- und Sitznummer mit einem Leuchtstift hervor. Es war geschafft, wir hatten ein Ticket mit Sitz- bzw. Bettreservation nach Guwahati. Nun galt es noch über fünf Stunden totzuschlagen. Unweit des Touristenschalters auf derselben Etage fanden wir ein Bahnhof-Buffet. Wir waren erstaunt über die vernünftigen Preise und bestellten gleich mal ein verspätetes Mittagessen und einige Stunden später ein frühes Abendessen. Die fahrplanmässige Abfahrt unseres Zuges war auf etwa 22 Uhr angesetzt.

In der Nacht niemanden treten

Die Reise nach Guwahati dauerte mit unserer Verbindung zwei Nächte und einen halben Tag. Wir konnten kaum einsteigen. Wir mussten uns regelrecht zu unserem Platz durcharbeiten. Dort mussten wir dann Platz für unser Gepäck aushandeln. Denn der Wagen war voll bis auf den letzten Zentimeter. Unser Gepäck zufriedenstellend verstaut, machten wir unser Bett bereit. Dazu wird die Rückenlehne des Sitzes hochgeklappt und mit zwei Ketten an der obersten Liege festgemacht. Gleich wie in Pakistan gab es keine Bettlacken. Wir verzichteten daher diesmal auf Pyjama anziehen und Seidenschlafsack. Ich bedeckte mich mit Regenjacke und Fliessjacke. Als ich in der Nacht aufwachte, um zur Toilette zu gehen, wäre ich fast einem Jungen auf den Kopf gestanden. Dieser lag im Dunkeln auf dem Boden unseres Abteils. Auf den Zehenspitzen schlich ich mich durch den Gang an das Wagenende zur Toilette. Ich musste sehr Acht geben nicht auf Hände, Köpfe, Oberkörper oder Beine zu stehen, denn am Boden lagen viele schlafende Passagiere. Erneut war ich froh um mein reserviertes Bett.

Schlafqualität im Zug ist individuell

Die erste Nacht war gut überstanden. Ich hatte zu meiner Überraschung auch gut geschlafen, Soodeh nicht besonders. Sie hatte mit dem nächtlichen Gedanken zu kämpfen, dass sich jemand zu ihr aufs Bett setzen könnte. Die unterste Liege wird tagsüber oft als eine Sitzbank genutzt. Manchmal respektieren die anderen Reisenden die Privatsphäre von schlafenden Passagieren. Insbesondere unter Einheimischen jedoch, wird jedes Stückchen freier Sitz genutzt. Ganz egal, ob da gerade noch jemand auf der Liege schläft oder ob die mittlere Lehne schon runtergeklappt ist. Es gilt die Devise, wo du nicht sitzt oder anlehnst, kann ich sitzen oder anlehnen. Natürlich hatten wir all dies schon in Geschichten von anderen Reisenden gehört. Dies aber selbst zu erleben, war eine andere Sache.

Abwägen zwischen Toleranz und Ignoranz

Es erforderte eine gehörige Portion Toleranz, Nachsicht und Empathie. Angenommen wir wären nicht dank unseres Status als Touristen zu diesen reservierten Sitzen bzw. Liegen gekommen, hätten wir es auch sehr geschätzt, wenn jemand uns Asyl auf seiner Liege gegeben hätte. Auch wenn es nur für ein paar Stunden und vielleicht nur für einen Teil unseres Hintern gewesen wäre. Die Dreierbank wird deshalb, wenn die Toleranz die Ignoranz überwiegt, als Viererbank genutzt. Da immer Menschen zu- und aussteigen ist die Ausnutzung der Sitzflächen eine dynamische Angelegenheit. Am ersten Tag waren die zwei lauten Bengalifrauen noch in der Mitte des Wagons. Gegen Abend waren sie dann allerdings in der Nähe unserer Liegen und schliefen in der zweiten Nacht dort am Boden unseres Abteils. Dort, wo die Nacht zuvor der Junge geschlafen hatte. Je nach Manieren der Mitreisenden ist mehr oder weniger Ignoranz und Toleranz nötig für diese Fahrt. Ein unvergessliches Erlebnis war es allemal.

Hinweis 18  von 20 zum 15 Monate Reisezeit Jubiläumsrätsel

Zum Rätsel geht es hier. Der nächste Hinweis:
Der letzte Wortteil besteht selbst aus zwei Teilen. Der erste Teil wird auch bei Zugbezeichnungen und einer Schweizer Sportgeschäftskette verwendet. Mehr Hinweise findest du im nächsten Reisebericht.

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