Verschiedene politische Systeme weltweit

Politische Systeme sind weltweit von Land zu Land unterschiedlich. Als Schweizer halte ich die direkte Demokratie für das Vorbild unter den politischen Systemen weltweit. Beim Reisen vergleiche ich oft das politische System meines Gastlandes mit dem der Schweiz. In diesem Artikel reflektiere ich über dieses Vergleichen. Meine Fragen sind: Ist dies arrogant? Wie kommt das Vergleichen bei den Menschen im Gastland an? Wie definiert ein solcher Vergleich der politischen Systeme das Verhältnis zu den Menschen im Gastland?

Identifikation mit dem politischen System der Schweiz

Bereits in der Sekundarschule interessierte mich Politik und die damit verbundenen politischen Systeme weltweit. Im Geschichtsunterricht lernte ich das politische System der Schweiz genau kennen. Wie im Vergleich zur Schweiz das politische System in den USA funktioniert, lernte ich am Gymnasium. Wir verglichen politische Systeme weltweit. An Beispielen wurde uns beigebracht, dass es in einer Demokratie von zentraler Bedeutung ist, dass Gewaltentrennung herrscht.

Legislative, Exekutive und Judikative

Die Gesetze Macher, die Regierenden und die Gesetze Kontrollierenden sollen daher unterschiedliche und unabhängige Einheiten sein. Man nenne dies Legislative, Exekutive und Judikative. Dieses Konzept leuchtete mir ein. Dessen Umsetzung in der Schweiz ist historisch gewachsen.

Fehlende direkte Demokratie in der Europäischen Union

Durch mein Interesse an der Politik, den Abstimmungen und Wahlen wuchs meine Identifikation mit der direkten Demokratie. Mit meinem wachsenden Verständnis über die demokratischen Prozesse in den benachbarten EU Ländern und der EU selbst, schwand sogar meine Euphorie bezüglich einem EU-Beitritt. Ich ging diesbezüglich zu einer zurückhaltenden Haltung über.

Sich über ein Gastland informieren

Beim Reisen komme ich mit immer neuen Ländern und deren Organisationsform in Kontakt. Vor der Einreise in ein neues Land nehme ich mir Zeit mich zu informieren. Reisehinweise zu lesen, mit Reisenden zu sprechen,  welche in die entgegengesetzte Richtung reisen und sich in einem Wikipedia Artikel zu vertiefen, kann ich nur empfehlen. Spannend dabei ist, dass sich diese Quellen in ihren Aussagen meistens unterscheiden. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Sich eine eigene Vorstellung machen

Liest und verinnerlich man die Reisehinweise, will man vor lauter Risiken lieber nicht einreisen. Hört man die Reisenden berichten, will man unbedingt deren Abenteuer erleben. Über die politischen Zustände und das System kann man zwar in Wikipedia viele Fakten finden. Allerdings muss dies nicht heissen, dass diese dann noch richtig und aktuell sind. Denn Gesetze (Theorie und Praxis) weichen oft von einander ab. Oder ein Gesetz ist nicht mehr in Kraft, wird aber weiterhin online erwähnt. Ich würde daher davor warnen zu glauben, dass man von aussen die aktuelle Lage in einem Land verstehen kann. Die Aussenansicht weicht meist von dem was einen in der Realität in einem Land erwartet ab. Dazu kommt, dass man nur im Land auch die Innen- oder Selbstansicht der Menschen im Land erfahren kann.

Erfahrungen verdrängen die Vorstellungen

Reise ich in ein Land ein, habe ich gewisse Vorstellungen. Diese entstehen aufgrund von Erzählungen, Klischees und Wissen aus scheinbar vertrauenswürdigen Quellen. Ob diese später mit meiner erlebten Realität im Land übereinstimmen werden, kann mir niemand vorher sagen. Zum Beispiel hatte ich gelesen, dass Kirgistan zu den demokratischsten Ländern von Zentralasien gehört. Noch unbelesen bezüglich den zentralasiatischen Autokraten habe ich mir vorgestellt, dass ein demokratisches Kirgistan ein sicheres Land zum Reisen ist. Bestimmt müsste es von Stabilität und einem gewissen touristischen Aufschwung geprägt sein. Aufgrund dieser Vorstellung hätte ich nicht damit gerechnet, dass sich in Biskek schnell Unruhen ausbreiten könnten. Doch genau dies geschah an jenem Tag im Sommer 2019, als ich nach Kirgistan einreiste. Es beruhigte sich nach einigen Tagen wieder. Doch nach den Parlamentswahlen im Oktober 2020 geschah es erneut und heftiger. Mehr zur aktuellen politischen Lage in Kirgistan kannst du hier lesen.

Annahme einer richtigen Entwicklung wirkt arrogant

In verschiedenen Situationen meiner Ausbildung wurde ich bestärkt, eine analytische und vergleichende Herangehensweise an den Tag zu legen. Lernen durch Analogien ist ein sehr effizienter Ansatz. Vergleichen kann aber auch arrogant wirken. Gerade im internationalen Kontext. Mir ist aufgefallen, dass sich beim vergleichenden Analysieren schnell eine gewisse Wertung einschleicht. Es kann zwar Sinn machen hinzuweisen auf Unterschiede im politischen System von zwei Ländern. Ich habe jedoch gemerkt, dass man dabei sehr achtsam sein sollte. (Natürlich nicht nur hier, aber dies ist ein Beispiel.) Eine gut gemeinte Erzählung über das eigene Land oder eine Frage zum System des Gastlandes kann auch zu Missverständnissen führen. Je nach Art und Überzeugung kann ein solcher Vergleich dazu führen, dass man sich aus der Sicht des Gegenübers als Angehöriger eines besseren Landes darstellt.

Vergleichen mit dem politischen System zuhause

Das politische System eines Gastlandes interessiert mich immer sehr. Daher stelle ich den Menschen vor Ort meist Fragen. Ich habe mich beim Anhören der Antworten ertappt, dass ich die Inhalte meist mit den Gegebenheiten zuhause vergleiche. Als Schweizer ist die direkte Demokratie oft mein Referenzpunkt oder mein Vergleichsanker. Ich glaube aber, dass es besser ist nicht laut denkend zu analysieren. Denn dies kann das Gegenüber in seiner Identität verletzen. Es steht mir nicht zu jemand ungefragt auf die demokratische Entwicklung seines Landes hinzuweisen. Daher versuche ich mich in Zurückhaltung mit vergleichenden Analysen. Sogar dann, wenn mich jemand fragt. Insbesondere bei Gesprächspartnern, die sich stark mit ihrem Land und der aktuellen Regierung identifizieren. Es lohnt sich aus Respekt gegenüber der Identität des Gesprächspartners.

Erzählen über das politische System der Schweiz

Werde ich nach dem politischen System der Schweiz gefragt, erkläre ich dies gerne. Wenn sich die Möglichkeit bietet, versuche ich das Ganze in einen historischen Kontext zu stellen. Mir ist wichtig aufzuzeigen, dass demokratische Entwicklung ihre Zeit braucht. Von der Abkehr der Aristokratie bis zur direkten Demokratie vergingen auch in der Schweiz viele Jahre. Ich bin überzeugt, dass Entwicklung unablässig ist, doch sie braucht Zeit, ob im Gastland oder daheim. Selbst wenn wir heute manchmal denken, dass wir nicht so viel Zeit haben.

Direkte Demokratie ist nicht das Ende der Entwicklung

Dass die direkte Demokratie schon der Klimax der Entwicklung eines optimalen Politischen Systems ist, glaube ich nicht. Wir sollten bedenken, dass auch die direkte Demokratie vielen Problemen nicht genügend schnell beikommt. Die direkte demokratische Organisation ist oft zu wenig agil und die Gesetzgebung hinkt vielen modernen Herausforderungen massiv hinterher.

Verschiedene Länder, unterschiedliche Einschätzungen

Eine Studie zeigt, dass politische Systeme in unterschiedlichen Ländern ganz unterschiedlich eingeschätzt werden. Für mich persönlich war spannend zu sehen, dass die direkte Demokratie überhaupt nicht immer als besser eingestuft wird, als die repräsentative Demokratie. Interessanterweise jedoch meist besser als eine Expertenregierung. Die Befragten wurden nach ihrer Einschätzung zu den folgenden fünf politischen Systemen gefragt: (1) Repräsentative Demokratie, (2) direkte Demokratie, (3) Regierung durch Fachleute (Expertenregierung), (4) Regierung durch einen starken Regierungschef (Präsidialrepublik bis hin zu Diktatur) und (5)
Militärregierung.

politische Systeme
In 38 Ländern wurden Menschen um ihre Einschätzung zu diesen fünf politischen Systemen gebeten (Bild).

Einschätzungen zu politischen Systemen aus 38 Ländern

In dieser Studie wurden Menschen in 38 Ländern befragt. So können nun politische Systeme weltweit in den Kontext der Einschätzung der Menschen in 38 Ländern gestellt werden. Die Resultate können hier für jedes der folgenden Länder angezeigt werden: Argentinien, Australien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Ghana, Griechenland, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Israel, Italien, Japan, Jordanien, Kanada, Kenia, Kolumbien, Libanon Mexiko, Niederlande, Nigeria, Peru, Philippinen, Polen, Russland, Schweden, Senegal, Spanien, Südafrika, Südkorea, Tansania, Tunesien, Ungarn, USA, Venezuela und Vietnam.

Danksagung

Herzlichen Dank an meine Partnerin. Sie hat mich auf meine Gewohnheit des lauten analytischen Vergleichens aufmerksam gemacht. Danken möchte ich auch meinen Geschichtslehrern. Sie haben bei mir politische Systeme weltweit an Beispielen näher gebracht und in mir die Begeisterung für das Verstehen und Analysieren von politischen Systemen geweckt. Die Vorlage für das Titelbild stammt von Reto.

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This article was written by Dominique

Als Reise Coach ist Dominique leidenschaftlich dabei, das Know-How rund um das langsame Reisen für alle Reisebegeisterte frei zugänglich zu machen. Er sieht faires und klimaverträgliches Reisen als Beitrag zum Frieden. Jede und jeder soll langsam und achtsam reisen lernen können – kostenfrei und unkompliziert.

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